Poledance: Die kulturellen Wurzeln einer modernen Bewegungskunst

Die Geschichte des Poledance entfaltet sich wie ein lebendiges Mosaik aus kulturellen Einflüssen. Die Ursprünge des Poledance reichen möglicherweise weit über die modernen Vorstellungen hinaus und lassen uns eintauchen in eine Welt, in der Tanz und Körperbeherrschung eine zeitlose Bedeutung hatten.

Inhalt

Die Geschichte des Poledance entfaltet sich wie ein lebendiges Mosaik aus kulturellen Einflüssen. Die Ursprünge des Poledance reichen möglicherweise weit über die modernen Vorstellungen hinaus und lassen uns eintauchen in eine Welt, in der Tanz und Körperbeherrschung eine zeitlose Bedeutung hatten.

Ursprünge und kulturelle Einflüsse

Wie genau sich dieses Mosaik zusammensetzt, ist nicht überliefert. Es lassen sich jedoch drei zentrale Strömungen erkennen, die das Wesen und die Bedeutung dieser Kunstform formten und weiterhin inspirieren.

Mallakhamb – 1. Jh. v. Chr.

Mallakhamb ist die erste der drei Hauptströmungen. Es ist eine Kunst des Ringens an einer Holzstange, die ihre Wurzeln tief im alten Indien hat. Krieger und Ringer trainierten dabei an bearbeiteten Baumstämmen, um ihre Kraft und Geschicklichkeit zu perfektionieren. Die Stange, genannt Mallakhamb, hatte einen Durchmesser von 35 bis 55 cm und war 3-4 Meter hoch. Sie diente als Trainingsgerät für die Maratha-Krieger, Meister der Guerillakriegsführung.

modernes Mallakhamb
traditionelles Mallakhamb

Spuren dieser uralten Kunst reichen zurück bis ins erste Jahrhundert vor Christus, wo Zeichnungen auf Keramikwerken ihre Existenz bezeugen. Doch erst im 17. Jahrhundert erhielt Mallakhamb offizielle Anerkennung unter dem Maratha-König Peshwa Bajirao II. Es wurde nicht nur als Kampfkunst, sondern auch als Mittel zur Ausbildung der königlichen Armee eingesetzt. Heute wird Mallakhamb als Kunstform praktiziert, die Geschicklichkeit, Balance und Disziplin erfordert. In Europa wurde Mallakhamb erstmals 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin vorgestellt.

Chinese Pole – 12. Jh.

Im 12. Jahrhundert begannen die Akrobaten des alten Chinas an einer vertikalen Stange aus Bambus oder Holz, eine Vielzahl von komplexen Bewegungen und Kunststücken auszuführen. Diese Darbietungen erforderten immense körperliche Kraft, sowie auch ein hohes Maß an Geschicklichkeit, Gleichgewicht und Koordination.

Das Training an der Stange prägte nicht nur die chinesische Zirkuskultur, sondern hatte auch in China militärische Zwecke. Hunderte von Kriegern trainierten gemeinsam und führten verschiedene Tricks an der Stange vor. Eine besonders beliebte Übung war das Abdrücken vom 90-Grad-Winkel der Stange, was eine starke Körpermitte erforderte – eine Technik, die heute als „Flagge“ bekannt ist.

Im Gegensatz zur indischen Variante erreichen die chinesischen Stangen Höhen von 5 bis 9 Metern und werden oft paarweise verwendet, um von einer zur anderen zu springen. Moderne Chinese-Poles sind oft mit einer Gummibeschichtung versehen, die das Tanzen mit Kleidung ermöglicht.

Indianische Ritus Tänze – 1890

Die dritte Strömung sind indianischen Ritustänze, die um Stangen herum stattfanden. Sie eröffnen uns eine faszinierende Welt voller  Opferbereitschaft und spiritueller Tiefe. Die Ursprünge der indianischen Ritustänze lassen sich nicht exakt datieren, aber die ersten Berichte darüber stammen aus dem Jahr 1890. Diese Tänze sind ebenso kriegerisch wie ihre indischen Verwandten und nichts für schwache Nerven.

Im Gegensatz zu Mallakhamb und Chinese Pole waren es beim sogenannten Stalptanz erstmals traditionell Frauen und nicht Männer, die um die Stange tanzten. Der Stalptanz ist ein Siegestanz, bei dem die Frauen der Krieger um eine Stange, an der die Trophäen ihrer Männer angebracht sind, tanzen .

Beim Sonnentanz hingegen, bei dem Männer um eine Holzstange tanzen, kommt es zu einer intensiven rituellen Selbstfolterung. Dieses Ritual dauert mehrere Tage und beinhaltet unter anderem Fasten.

Die Sioux-Tänzer sollen sich währenddessen selbst foltern und in Trance fallen, um Visionen zu erhalten und sich dem Volk zu opfern. Dieses Ritual variiert jedoch von Stamm zu Stamm und ist nicht immer so drastisch wie bei den Sioux.

Entwicklung im Unterhaltungsbereich

Im Zirkus der 1920er Jahre wagten sich Tänzerinnen in den USA erstmals an Zeltstangen und fügten dem traditionellen Zirkusrepertoire eine neue Dimension hinzu. Durch die Fusion mit Elementen des Bauchtanzes erhielt der Poledance eine feminine und erotische Note, die das Publikum in Staunen versetzte.

In den Bars und Clubs der 1950er Jahre fand der Poledance dann eine neue Heimat. Von den Zirkuszelten wanderte er direkt in die pulsierenden Nachtclubs, wo er vor allem in Burlesque-Shows integriert wurde. Mit den 1970er Jahren verlagerte sich der Fokus zunehmend von Zirkusvorstellungen zu Stripclubs, wo der Stangentanz seine Hochblüte erlebte. Fast jede Bar und jeder Club installierte nun feste Stangen für jegliche Art von Performance, und der Poledance wurde zu einem festen Bestandteil der Unterhaltungsszene.

Etablierung der Sport- und Kunstform

Die erste Poledance-Schule in Kanada -1994

Fawnia Mondey, eine kanadische Tänzerin, war eine zentrale Wegbereiterin des Pole Dance in Kanada, aber auch weltweit. In den 1990er Jahren gründete sie die erste Pole Dance Schule des Landes und bot 1995 den ersten Kurs speziell für Nicht-Stripper*innen an. Als weltweit erste Pole Dance Instruktorin trug sie maßgeblich dazu bei, den Pole Dance aus den Strip-Clubs herauszuholen und ihn als Sport- und Kunstform in Fitnessstudios und Bars zu etablieren. Ihre Liebe und Hingabe haben den Weg geebnet für eine neue Anerkennung und Wertschätzung des Pole Dance als ganzheitliches körperliches und künstlerisches Training.

Mehr zu Fawnia: https://www.officiallyfawnia.com/about-me

Sheila Kelley & the S-Factor – 2000

Im Jahr 2000 gründete die Schauspielerin Sheila Kelley das S-Factor, ein Studio, das einen einzigartigen Ansatz für den Poledance verfolgte. Anstatt sich ausschließlich auf die körperliche Fitness zu konzentrieren, betonte das S-Factor die Entdeckung der Weiblichkeit und den psychischen Aspekt des Tanzes. Diese innovative Herangehensweise revolutionierte erneut die Welt des Pole Dance und eröffnete neue Möglichkeiten für Frauen, ihre Sinnlichkeit und Stärke zu erkunden.

Eine Herzensempfehlung dazu die Netfixdoku: „Strip Down, Rise Up“ – Und wer noch mehr zu S-Factor wissen möchte: https://sfactor.com/sheila-kelley/

Poledance Boom & Poledance Meisterschaften – 2003

In den Jahren 2003 bis 2005 brach eine wahre Pole-Dance-Welle los, angeheizt von Hollywoodstars und Pop-Ikonen, die das Workout in Frauenzeitschriften und im Fernsehen präsentierten. Doch das war erst der Anfang. Gleichzeitig begann die Ära der digitalen Verbreitung, als Poledance-Trainingsvideos erstmals über Plattformen wie YouTube auftauchten und die Welt des Pole Dance einem noch breiteren Publikum zugänglich machten.

2003 öffneten die ersten Poledance-Studios in Europa ihre Türen, angeführt von England, wo schon seit den 1990er Jahren Schulen für Burlesque existierten. Doch der wahre Wendepunkt kam, als Poledance nicht mehr nur in Stripclubs und Bars zu sehen war, sondern professionell unterrichtet wurde.

Im selben Jahr fanden auch die ersten offiziellen Poledance-Wettkämpfe statt, die seitdem in zahlreichen Ländern weltweit ausgetragen werden, und das mit einer Vielzahl von Wettbewerbsformaten und Teilnehmern aus aller Welt.

2004 begann die Stripperin Nele Sehrt in Hamburg Poledance-Kurse zu geben und legte damit den Grundstein für viele der heute renommierten Poledance-Studios in Deutschland. Ihre Leidenschaft und Expertise inspirierte und prägte eine ganze Generation von Poledance-Lehrern und -Schülern.

Die Gründung der IPSF – 2009

Im Jahr 2009 wurde die „International Pole Sports Federation“ ins Leben gerufen. Ihr Hauptanliegen: Bildung und Poledance als olympische Disziplin zu etablieren.

Poledance wurde offiziell als Sport anerkannt – 2017

Im Herbst 2017 erreichte die Poledance-Community einen historischen Meilenstein: Poledance wurde offiziell als Sport mit Beobachtungsstatus anerkannt. Diese bedeutende Anerkennung wurde der Disziplin von der Global Association of International Sports Federations verliehen, was einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Anerkennung durch die Nationalen Olympischen Komitees darstellt.

Diese Nachricht war nicht nur ein Grund zum Feiern, sondern auch ein Moment der Anerkennung für die unermüdliche Hingabe und Leidenschaft der Poledance-Athleten und -Enthusiasten weltweit.

Meine abschließenden Gedanken

In der Welt der Erwachsenen wird die einst unschuldige Metallstange auf dem Spielplatz oft zum Schauplatz komplexer Emotionen und Erwartungen. Doch werfen wir einen Blick zurück auf unsere Kindheit, erinnern wir uns an die unbeschwerten Momente des Kletterns und Rutschens, wie ein Feuerwehrmann oder eine Feuerwehrfrau. Momente, in denen die Stange nichts als ein Instrument des puren Vergnügens war.

Doch im Laufe der Zeit, geprägt von unserem Umfeld, den Medien und persönlichen Erfahrungen, verändert sich unsere Wahrnehmung. Die Stange wird sexualisiert, zu einem Symbol von Anziehung oder Scham gemacht.

Doch sollten wir uns nicht fragen: Ist dies wirklich ihre wahre Bestimmung? Schließlich waren die Anfänge der Stangenübungen frei von Geschlechterstereotypen und Vorurteilen. Sie dienten dem Training, der Stärke und dem Miteinander – für jedermann zugänglich, unabhängig von Geschlecht oder sozialem Status.

Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Wahrnehmung zu ändern und die Stange wieder als das zu sehen, was sie einst war: ein Werkzeug der Stärke, des Mutes und der gemeinsamen Freude. Lasst uns die Unsicherheiten und Vorurteile ablegen und die wahre Essenz dieser einfachen Struktur wiederentdecken – als Quelle der Inspiration und des gemeinsamen Wachstums.

Eure Riva 🙂

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